Beschreibung des Rechtsbegriffs Zugewinnausgleich:
Der Begriff Zugewinnausgleich bezeichnet das im deutschen Familienrecht geregelte Verfahren, das bei einer Scheidung den während der Ehe erzielten Vermögenszuwachs, den die Ehegatten erwirtschaftet haben, ausgleicht. Die rechtliche Grundlage hierfür findet sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), speziell in den §§ 1363 bis 1390. Er ist Teil des gesetzlichen Güterstands der Zugewinngemeinschaft, welcher automatisch gilt, wenn die Eheleute keinen anderen Güterstand durch Ehevertrag vereinbart haben.
In einer Zugewinngemeinschaft bleibt das Vermögen, das jeder Ehepartner in die Ehe einbringt oder während der Ehe erbt oder als Schenkung erhält, sein persönliches Eigentum. Lediglich der während der Ehe erwirtschaftete Zugewinn soll ausgeglichen werden. Zugewinn ist der Betrag, um den das Endvermögen eines jeden Ehegatten sein Anfangsvermögen übersteigt.
Der Ausgleichsanspruch entsteht grundsätzlich mit Zustellung des Scheidungsantrags und wird nicht durch die tatsächliche Scheidung selbst, sondern durch ihre rechtskräftige Beendigung begründet. Um den Zugewinn zu berechnen, wird zuerst das Anfangsvermögen jedes Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung ermittelt und auf den Zeitpunkt des Scheidungsantrags hochgerechnet, um Wertsteigerungen durch Inflation auszugleichen. Danach wird das Endvermögen zum Zeitpunkt des Scheidungsantrags ermittelt. Der Zugewinn ergibt sich aus der Differenz zwischen End- und Anfangsvermögen.
Hat ein Ehepartner mehr Zugewinn erzielt als der andere, so steht dem anderen Ehepartner die Hälfte der Differenz als Ausgleichsforderung zu. Diese Ausgleichsforderung kann in Geld oder durch Übertragung von Vermögenswerten erfüllt werden.
Der Ausgleich kann bei Bedarf auch durch gerichtliche Entscheidung herbeigeführt werden, wenn die Eheleute sich nicht einigen können. Hierbei können komplizierte Bewertungsfragen, zum Beispiel bei Unternehmensbeteiligungen oder Immobilien auftreten, die oftmals sachverständige Bewertungen erfordern.
Rechtlicher Kontext, in dem der Begriff Zugewinnausgleich verwendet werden kann:
Herr und Frau Müller heirateten 2000 und führten während ihrer Ehe eine Bäckerei, die zu Beginn der Ehe einen Wert von 200.000 Euro hatte. Im Laufe der Jahre florierte das Geschäft und zum Zeitpunkt der Einreichung der Scheidung im Jahr 2020 betrug der Wert der Bäckerei 500.000 Euro. Herr Müller hatte zu Beginn der Ehe ein eigenes Vermögen von 50.000 Euro, Frau Müller brachte 30.000 Euro mit in die Ehe. Während der Ehe erbte Herr Müller zudem 100.000 Euro, die jedoch als Vorbehaltsgut gelten und nicht in den Ausgleich einbezogen werden.
Zum Zeitpunkt der Scheidung wird das Anfangsvermögen hochgerechnet und dann das Endvermögen beider Ehepartner festgestellt. Herr Müllers Anfangsvermögen von 50.000 Euro wird nicht berücksichtigt, da sein Erbe als Vorbehaltsgut nicht in die Berechnung eingeht. Daher berechnet sich sein Zugewinn als Differenz zwischen dem Wert der Bäckerei zum Zeitpunkt der Scheidung (500.000 Euro) und dem Wert bei Eheschließung (200.000 Euro), also 300.000 Euro. Frau Müllers Zugewinn beläuft sich auf 470.000 Euro (Differenz von 500.000 Euro Endvermögen der Bäckerei abzüglich Anfangsvermögen 30.000 Euro). Frau Müller hätte somit einen Anspruch auf einen Ausgleich in Höhe von 115.000 Euro (die Hälfte der Differenz), den Herr Müller zu zahlen hätte.
Ein weiteres Beispiel ist das Ehepaar Schmidt, das ohne Ehevertrag geheiratet hat und bei dem die Ehefrau während der Ehezeit dank ihrer Karriere als Anwältin ein erhebliches Vermögen aufbauen konnte, während der Ehemann als Künstler tätig war und kaum Vermögenszuwachs verzeichnen konnte. Bei einer Scheidung hätte der Ehemann Anspruch auf einen Ausgleich, der sich nach der Differenz des beiderseitigen Zugewinns bemisst.
Der Zugewinnausgleich sorgt für eine gerechte Vermögensverteilung nach der Scheidung und spiegelt den Gedanken wider, dass Eheleute während ihrer Ehe gemeinsam an der Erwirtschaftung von Vermögen mitwirken. Somit wird die wirtschaftliche Partnerschaft, die eine Ehe auch darstellt, auch im Falle einer Trennung honoriert. Zugleich gibt das Verfahren dem wirtschaftlich schwächeren Ehegatten eine finanzielle Sicherheit und gleicht ungleiche Vermögensentwicklungen während der Ehezeit aus.